Die "Franzosenlinde" zu Jühnsdorf - Ein Naturdenkmal mit einem Geheimnis
Ein besonders Naturdenkmal stand auf der südlichen Seite des Kirchhofes der Dorfkirche zu Jühnsdorf gegenüber dem Gutshaus. Es war eine alte Linde mit einem Umfang von fast 5 Metern und innen ganz hohl. Im Jahr 2002 fiel die Linde einem verheerenden Unwetter zum Opfer.

Man kann die Umrisse des einst stattlichen Baumes anhand der Reste des noch vorhandenen Baumstumpfes noch immer erkennen. Aus den trocknen und tot wirkenden Baumstumpfresten wächst wieder eine neue Linde, die inzwischen schon ein hoch aufgewachsener stattlicher Baum geworden ist.
Über und um diesen besonderen Lindenbaum, im Volksmund "Franzosenlinde" oder "Franzosenbaum" genannt, gab es mündliche Überlieferungen und Geschichten, die von verschieden Autoren schriftlich festgehalten wurden. Ich möchte hier einiges dazu berichten und vor allen Dingen klären, was es mit dem im Volksmund geprägten Namen auf sich hat.
Die Geschichte der "Franzosenlinde"
In der Zeit der Befreiungskriege, genauer im Jahr 1813. Preußen hatte sich mit Russland und Schweden und später auch mit Österreich gegen Frankreich verbündet, um die französische Vorherrschaft zu beenden. Am 17. März 1813 erklärte man dem französischen Kaiser Napoleon Bonaparte den Krieg. Unter dem Befehl des preußischen Generals von Bülow gelang es am 4. Juni 1813 mit dem Gefecht bei Luckau, den Vormarsch der napoleonischen Truppen auf Brandenburg und insbesondere die Eroberung der preußischen Hauptstadt Berlin abzuwehren. Infolge der hohen Verluste und der Bedrohung der Nachschublinien wurde ein Waffenstillstand zwischen den Alliierten und Napoleons Truppen geschlossen, der am 10. August 1813 endete. Nach der Waffenruhe marschierte die 70.000 Mann starke französische "Armée de Berlin" von Luckau aus unter dem Befehl des Marschalls Oudinot auf dem kürzesten Weg über Trebbin in Richtung Berlin.
Schon im Mai 1813 hatte man südlich von Berlin mit Maßnahmen zur Verteidigung durch Bau von Anlagen zur Überflutung der niedrig gelegenen Ländereien an Nuthe und Notte und der Anlage von Schanzen und Befestigungsanlagen zur Verteidigung der wenigen verbleibenden passierbaren Stellen begonnen. Auf dem Lindenberg bei Jühnsdorf wurde eine Schanze aufgeworfen. Den Pass von Jühnsdorf hatte der preußische General Bülow in einem Brief an Tauentzien als den wichtigsten Punkt in dieser Gegend bezeichnet. Im Zuge der heutigen Straße zwischen Groß Schulzendorf und Jühnsdorf verlief damals ein Weidendamm, der sich über seine Umgebung aus damals sumpfigen, überfluteten Wiesen um etwa ½ Meter erhob und weiter durch den Ort führte.
Als sich die "Berliner Armee" am 18. August 1813 um Baruth versammelte um gegen Preußens Hauptstadt vorzugehen, da war auch den Jühnsdorfern klar, dass sie sich auf den Durchzug der feindlichen Truppen in Richtung Berlin gefasst machen mussten. Am 22. August 1813 wurde die Lage schnell bedrohlich. Die schwachen preußischen Vortruppen der Division Borstell aus dem Armee-Korps Tauentziens - zwei Infanterie-Bataillone der Landwehr, zwei Kavallerie-Eskadronen und zwei Kanonen - verteidigten zunächst erfolgreich den Damm von Großschulzendorf in Richtung Jühnsdorf gegen die Angreifer. Als aber eine italienische Brigade den Damm angriff, eine andere den Lindenberg umging und obendrein ein Bataillon zwischen Rangsdorfer See und Jühnsdorf das Dorf zu umgehen drohte, musste sich der kommandierende Major von Hiller für den Rückzug entscheiden. Den Befehl General Tauentziens, das Dorf zurückzuerobern, musste aufgegeben werden. Jühnsdorf und der dortige Übergang nach Norden waren verloren. Tauentzien befahl den Rückzug. Im Wald bei Blankenfelde wurde eine neue Aufstellung genommen.
Die französische Armee in Jühnsdorf
Es war ein regnerischer Augusttag. Im Dorf herrschte fieberhafte Aufregung unter der Bevölkerung. In der Ferne hörte man in kürzeren Abständen Kanonendonner, die deutlichen Anzeichen, dass sich die Gefahr für die Einwohner Jühnsdorfs mit jeder Stunde steigerte. Es hieß nun für sie, eiligst Hab und Gut zusammenzuraffen und sich dann nach einem sicheren Zufluchtsort zurückzuziehen, denn stündlich wurden die Franzosen erwartet.
Die Bauern nahmen Tische, Stühle, Bänke mit, hoben Stuben- und Stalltüren aus ihren Angeln und luden sämtliches Wirtschaftsgerät auf ihre Bauerngespanne. Schnell wurde das Vieh aus den Ställen geholt und zusammengetrieben. Es bewegte sich ein langer Zug hastig die Dorfstraße in Richtung Norden entlang. Die Jühnsdorfer waren auf den Genshagener "Buchhorst" geflüchtet, eine Insel mitten im Sumpf, auch "Seggewiesen" genannt. Hierher hatten sie Wagen mit Sachen mitgenommen und in das hohe Schilf gefahren. Man glaubte, hier Schutz zu finden und jeder baute sich aus den Brettern und Türen eine notdürftige Unterkunft. Das Vieh wurde auf eine riesige Koppel getrieben.
Ein Nachtwächter versteckt sich
Nur wenige Leute blieben im Dorfe zurück, darunter der Amtsdiener und Nachtwächter Karl Götze. Er hat sich in der hohlen Linde, die an der Kirchhofmauer gegenüber dem Schloss stand, verborgen gehalten. Rund 50 Taler gespartes Geld, Lebensmittel und zu trinken hatte er mitgenommen. Von der Neugier geplagt, wollte er von dort die Franzosen abwarten und schaute angestrengt in Richtung Lindenberg, um den Feind zu erspähen.
Die Vorhut der Franzosen erschien. Schnell drangen die französischen Reiter in die Häuser ein, um Lebensmittel und Geld zu erbeuten. Ein Trupp der Franzosen schlug die Türfüllung der Kirche ein, um hier Quartier aufzuschlagen. Bänke und Türen dienten als Brennholz und gewaltige Bündel Stroh wurden zur Lagerstätte in das Gotteshaus geschleppt. Unterdessen hatte ein anderer Trupp auf dem Dorfanger in der Nähe des Schulgrundstücks ein riesiges Feuer angezündet und darüber einen ganzen Ochsen am Spieß gebraten. Die Gebäude schienen nicht verbrannt zu sein. Leider ist nicht mehr in Erfahrung zu bringen, wie es dem armen Götze in seiner Linde zu Mute gewesen sein mag, ob der zuweilen den Kopf herausgesteckt hat, um sich Jühnsdorf in den Stunden der Franzosenherrschaft anzusehen.
Am Morgen des 23. August 1813, früh gegen 6 Uhr, hörte man wieder das Vorpostenfeuer im Wald zwischen Jühnsdorf und Blankenfelde. Der Angriff der Franzosen begann gegen 10 Uhr. Wurde aber durch das Gefecht von Blankenfelde energisch zurückgeschlagen und so musste sich die Division Fontanelli nach Jühnsdorf zurückziehen. Tauentzien hatte seine Stellung bei Bankenfelde behauptet. Am 24. August 1813 vormittags erfuhr er, die Biwaks der Franzosen seien verlassen, weggeworfene Gewehre ließen auf einen eiligen Rückzug schließen. Tauentzien rückte nach und in Jühnsdorf mussten 127 Mann kapitulieren, die anderen flohen über den Damm. Jühnsdorf war vom Feind erlöst und die geflüchteten Bewohner konnten aus dem unfreiwilligen Exil zurückkehren. Auch der Nachwächter Götze kam wohlbehalten aus seinem seltsamen Versteck hervor, in dem er 2 Tage ausgehalten hatte.
Die Folgen des Krieges
In der Folgezeit war man bemüht, die Wunden die der Krieg geschlagen hatte, zu heilen und die Verluste halbwegs mit Geld aufzuwiegen. Zunächst wurde Saatgetreide ausgeteilt. 1817 ließ der Landrat von Hake auf Genshagen den Kriegsschaden von Jühnsdorf berechnen. Der Verlust an Getreide, Stroh, Heu, Hülsenfrüchten, Mehl, Kartoffeln, an Vieh, Kleidungsstücken und Ackergerät wurde festgestellt. Er belief sich für Jühnsdorf auf rund 5.600 Taler.
Viele Menschen haben in den Augusttagen des Jahres 1813 "Mit Gott für König und Vaterland" ihr Leben gelassen. Auch nach dem Krieg gab es noch lange keine Erleichterungen.
Einige Jühnsdorfer haben mir berichtet, dass die "Franzosenlinde" ein wichtiger Treffpunkt für Kinder und Jugendliche im Ort war, mit einem Seil konnte man in und auf den Baum klettern und sorgenfrei den Tag genießen. Jeder kannte den Baum, aber nicht alle wussten von der Geschichte um den versteckten Nachtwächter Karl Götze, der dafür sorgte, dass im Volksmund der Name "Franzosenlinde" entstand.
Jühnsdorf im August 2022
Bärbel Wunsch
BÜRGERSERVICE
Karl-Marx-Straße 4
15827 Blankenfelde-Mahlow
Nur nach vorheriger Terminvereinbarung.
Termine online buchen
BÜRGERTELEFON
03379 333-0
ÖFFNUNGSZEITEN
Bürgerservice
Mo, Mi, Fr | 8 - 19 Uhr |
Di, Do | 8 - 19 Uhr |
Verwaltung
Di | 9 - 16 Uhr |
Do | 9 - 19 Uhr |