Vom Krankenlager zum Gedenkort: Historie des "Ausländerkrankenhauses"

Das Hauptgesundheitsamt Berlin eröffnete 1942 auf der Gemarkung Mahlow das größte Krankenhaus für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der Stadt Berlin mit 848 Betten. Es besaß Abteilungen für Tuberkulose, weitere Infektionskrankheiten, Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe.

  • Das "Ausländerkrankenhaus Mahlow": 1942 - 1945

    Das "Krankenhaus der Reichshauptstadt in Mahlow", kurz „Ausländerkrankenhaus Mahlow“ genannt, war das größte Krankenhaus für Zwangsarbeiter/innen der Stadt Berlin. Es wurde 1942 für Arbeitskräfte eingerichtet, die aus den von Deutschland besetzten Teilen der Sowjetunion verschleppt wurden. 

    Im NS-Jargon wurden diese Menschen als "Ostarbeiter" bezeichnet. Nach Mahlow kamen vor allem Patienten mit schweren und infektiösen Erkrankungen, hauptsächlich Tuberkulose. In dem mit Stacheldraht umzäunten Barackenkrankenhaus sollten sie unter geringstem medizinischen Aufwand wieder "arbeitsfähig" gemacht werden. 

    Neben "Ostarbeitern" als Hauptgruppe wurden in Mahlow Zwangsarbeiter/innen aus Polen und weiteren ost- und westeuropäischen Staaten behandelt, ferner Gestapo-Häftlinge, so aus dem "Arbeitserziehungslager" Berlin-Wuhlheide.

    Vom Durchgangs- zum Krankenlagers

    Das "Ausländerkrankenhaus" entstand am Rande des Dorfes Mahlow, rund fünf Kilometer südlich der Berliner Stadtgrenze. Das Grundstück hatte die Stadt Berlin 1940 zunächst zwecks Errichtung eines Barackenlagers für Arbeitskräfte gepachtet und 1943 erworben. 

    Mitte 1942, noch vor Einrichtung des "Ausländerkrankenhauses", betrieb das Arbeitsamt dort vorübergehend ein "Durchgangslager" zur Aufnahme und Verteilung von aus der Sowjetunion verschleppten Zivilisten, darunter auch Kinder. 

    Zu dem wenigen, was über dieses Lager bislang bekannt ist, zählt der Tod von 16 Kleinkindern und Säuglingen Mitte 1942.

    Das am 10. August 1942 vom Hauptgesundheitsamt Berlin eröffnete "Ausländerkrankenhaus" erreichte im März 1943 die vorgesehene Kapazität von 848 Betten. Es umfasste 25 Baracken, davon zehn Krankenbaracken.

    Abgrenzung

    Der Mangel an Personal und Ausrüstung beeinträchtigte den Betrieb anhaltend. Im Dezember 1943 zerstörte ein Luftangriff Teile des Krankenhauses, darunter Operationsräume. Nach umfangreichen Instandsetzungen Anfang 1944 ging der Betrieb mit 700 Betten weiter. Bei den Reparaturarbeiten wurden Häftlinge des nahe gelegenen KZ-Außenlagers Berlin-Lichtenrade eingesetzt, darunter der kommunistische Widerstandskämpfer Herbert Tschäpe, dem im April 1944 von Mahlow aus die Flucht gelang.

    Die von der NS-"Rassenpolitik" bestimmte Ungleichbehandlung der nach Deutschland verschleppten Arbeitskräfte erstreckte sich auch auf die Krankenversorgung. "Ostarbeiter" wurden als "rassisch minderwertig" und politisch gefährlich gebrandmarkt. Das "Ausländerkrankenhaus Mahlow" diente zur Abgrenzung dieser Kranken von anderen, vor allem deutschen und westeuropäischen Patienten.

    Entbindungsstation

    Rassistisch geprägt war auch der Umgang mit Schwangeren und Neugeborenen im "Ausländerkrankenhaus". Seit August 1943 verfügte es über eine Entbindungsstation für sowjetische und polnische Frauen. Über 340 Kinder kamen hier zur Welt. Etwa 40 von ihnen starben während oder nach der Rückkehr der Mutter an den Arbeitsplatz. 

    Der Nachwuchs von "Fremdvölkischen" galt den NS-Behörden, auch aus ökonomischen Gründen, als "unerwünscht". Während deutschen Frauen Schwangerschaftsabbrüche streng verboten waren, wurden sie bei den "Ostarbeiterinnen" seit März 1943 umfassend angewandt. Zahlreiche Abtreibungen wurden in der chirurgischen Abteilung des "Ausländerkrankenhauses" vorgenommen. Ebenfalls für Mahlow bezeugt sind Zwangssterilisationen von Frauen des rassistisch verfolgten Volks der Sinti und Roma.

    Ort der Zwangsarbeit

    Das "Ausländerkrankenhaus Mahlow" war selbst ein Ort der Zwangsarbeit. Sein Betrieb wurde hauptsächlich von Ärzten und Krankenschwestern aus der Sowjetunion getragen. Letztere wurden meist noch im jugendlichen Alter nach Mahlow deportiert und hier zu Pflegekräften angelernt. Sie waren in Baracken auf dem Lagergelände untergebracht, litten unter Hunger, seelisch und körperlich stark belastender Arbeit sowie vielfachen Demütigungen im Alltag.

    Die Namen der Toten sind im Sterberegister des Standesamtes Mahlow verzeichnet. Begraben wurden die meisten Opfer etwa 15 km vom "Ausländerkrankenhaus" entfernt, auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde-Stahnsdorf. Nach dem Krieg ließ die sowjetische Besatzungsmacht zu ihren Ehren einen Obelisken errichten.

  • Von der Befreiung zum Ort des Erinnerns: 1945 - 2004

    Am 22. April 1945 wurde das "Ausländerkrankenhaus Mahlow" durch die Rote Armee befreit. Danach verwendete die Rote Armee den Barackenkomplex zunächst weiter als Krankenhaus. Anschließend, ab Herbst 1946, siedelten sich Blankenfelder Gewerbebetriebe in den Gebäuden an.

    Mehr als 150 Menschen arbeiteten fortan auf dem noch heute als "Industriegelände" bekannten Areal. Größter Betrieb war der VEB Pharmazeutisches Werk Blankenfelde. Er verfügte über drei Baracken und errichtete Gewächshäuser zur Erzeugung von Heilkräutern. 1962 wurde das Werk geschlossen. 

    Bis zum Ende der DDR verschwanden auch die meisten anderen Betriebe. Die Gärtnerei existierte noch bis in das Jahr 2004.

  • Entwicklung zum Gedenkort: Seit 2004

    Die Existenz des "Ausländerkrankenhauses" geriet nach 1945 weithin in Vergessenheit oder wurde verdrängt. Ab den 1980er Jahren rief sie der Lokalhistoriker Frank Hummeltenberg durch seine Forschungen wieder ins Gedächtnis. Es folgten weitere lokale Initiativen und Ausstellungsprojekte.

    2007 wurde das Gelände als archäologisches Denkmal unter Schutz gestellt. Im Jahr 2009 beschloss die Gemeindevertretung Blankenfelde-Mahlow, am authentischen Ort dauerhaft an das "Ausländerkrankenhaus" und die Schicksale seiner Insassen zu erinnern. Weitere Ziele sind die Schaffung eines Gedenkortes für Überlebende und Angehörige sowie eines Informations- und Lernortes für heutige und künftige Generationen.

    Konzeption des Gedenkortes

    Mit der Umsetzung des Beschlusses befasst sich eine Ideenwerkstatt aus Bürger*innen der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow und Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung.

    Geplant sind mehrere Ausbaustufen. Dieses Konzept erlaubt es, parallel zur Umsetzung der ersten Komponenten, die Forschung zu weiteren Themen fortzusetzen und bereits während des Umsetzungsprozesses weitere Bürger*innen für den Ort zu interessieren und sie zur aktiven Beteiligung an der weiteren Planung und Umsetzung des Projekts zu gewinnen.

  • Ausblick

    Das ehemalige Lagergelände ist weitgehend unbebaut und bietet so zahlreiche Anknüpfungspunkte, um seine Funktion als Stätte der Erinnerung weiter zu entwickeln. Hierzu zählt zum einen die Kenntlichmachung von exemplarischen Bestandteilen der ehemaligen Lagertopographie. Zum anderen soll auf dem Gelände die Möglichkeit des Gedenkens an die rund 1.494 im "Ausländerkrankenhaus" verstorbenen Menschen gegeben werden. 

    Die inzwischen anonymisierten Gräber der Toten befinden sich auf dem 15 Kilometer entfernten Waldfriedhof der Stadt Berlin in Güterfelde-Stahnsdorf. Deshalb soll der verstorbenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, an dem Ort ihres Todes in Mahlow, mit der Nennung ihrer Namen gedacht werden.

    Es ist angedacht, die Pflege des Rundweges sowie weitere Maßnahmen auf dem ehemaligen Krankenhausareal mit der Bildungsarbeit zu verknüpfen und in Zusammenarbeit mit Schulklassen oder Workcamps vorzunehmen.

  • Weiterführende Links
    • Frank Hummeltenberg, Zwangsarbeiter in Blankenfelde. In: Heimatkalender für den Kreis Zossen 1992, 121-124.
    • Frank Hummeltenberg, Das "Ausländerkrankenhaus Mahlow" (1942-1945). In: Heimatjahrbuch Teltow-Fläming 2005, 45-53.
    • B. Bremberger, F. Hummeltenberg, M. Stürzbecher: Das "Ausländerkrankenhaus der Reichshauptstadt Berlin" in Mahlow. In: A. Fewer, B. Bremberger, G. Siedbürger (Hg.) Der ‚Ausländereinsatz’ im Gesundheitswesen (1939-1945), Franz Steiner Verlag Stuttgart, 2009, 219-284.
    • Ulrike Kersting, Axel Drieschner, "Es hat keiner auch nur ein Wort darüber verloren". Ein historischer Rundweg erinnert an das "Ausländerkrankenhaus Mahlow" bei Berlin, in: Gedenkstättenrundbrief Nr. 174/2014, S. 3-10.
    • Ulrike Kersting, Axel Drieschner, Das "Ausländerkrankenhaus der Reichshauptstadt" in Blankenfelde-Mahlow. In: J. Haubold-Stolle/Th. Kersting/Cl. Theune et al. (Hrsg.), Ausgeschlossen. Archäologie der NS-Zwangslager. Ausstellung Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide / Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, Berlin 2020, S. 210-212.

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